Wie die Preisträgerin Anne Carolin Schäfer die DGE-Ernährungsempfehlungen entscheidend mitgestaltete
In die DGE-Empfehlungen „Gut essen und trinken“ ließ sie gemeinsam mit den Mitgliedern der DGE-Arbeitsgruppe "Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen" wissenschaftliche Kenntnisse zahlreicher Disziplinen einfließen. Sie trug maßgeblich dazu bei, die Ernährungsempfehlungen für Deutschland auf eine breite und wissenschaftlich fundierte Basis zu stellen.
Im Interview erzählt Anne Carolin Schäfer, wie sie die Herausforderungen als Berufsanfängerin erfolgreich bewältigen konnte.
Anne Carolin Schäfer

... ist Oecotrophologin (M.Sc.) und arbeitet im DGE-Referat Wissenschaft. Sie ist Mitglied der DGE-Arbeitsgruppe „Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen“ und promoviert zur Integration verschiedener Nachhaltigkeitsdimensionen in lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen durch mathematische Optimierung.
Wie bist du vor mittlerweile sechs Jahren zur DGE gekommen?
Anne Carolin Schäfer:
Ich habe im Bachelor und Master Oecotrophologie an der FH Münster studiert. In den Modulen haben wir einerseits sehr viel mit den DGE-Empfehlungen gearbeitet, andererseits diese auch immer wieder kritisch diskutiert. Außerdem hat sich bei mir im Master der Wunsch entwickelt, am Übergang von Wissenschaft zu Praxis zu arbeiten, also zum Beispiel an Leitlinien.
Als dann im Frühjahr 2019, während ich meine Masterarbeit geschrieben habe, das Stellenangebot der DGE für die Überarbeitung der lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen veröffentlicht wurde, musste ich mich unbedingt darauf bewerben. Ich dachte, das ist wirklich mein Traumjob! Sonderlich große Chancen, die Stelle zu bekommen, habe ich mir allerdings nicht ausgemalt. Schließlich hatte ich bis auf ein paar Praktika keine Berufserfahrung, kaum Erfahrung im wissenschaftlichen Arbeiten und noch nie direkten Kontakt mit der DGE.
Aber: Meine ganz klassische Bewerbung mit anschließendem Vorstellungsgespräch war erfolgreich.
Gut essen und trinken – die DGE-Empfehlungen
Wer sich überwiegend von Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten sowie Nüssen und pflanzlichen Ölen ernährt, schützt nicht nur seine Gesundheit, sondern schont dabei die Ressourcen der Erde. Dazu gehört auch Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Die DGE-Empfehlungen zeigen einen Weg, den Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln zu steigern und den von tierischen Lebensmitteln zu senken, um Gesundheit und Umwelt zu schützen.
Was waren die besonderen Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung eines mathematischen Optimierungsmodells zur Ableitung lebensmittelbezogener Ernährungsempfehlungen für Deutschland (FBDG)?
Anne Carolin Schäfer:
Die größte Herausforderung für mich als Berufsanfängerin war das extrem breite Aufgabenspektrum. Ich habe in jeder Phase des Projekts ganz unterschiedliche Arbeiten durchgeführt: Von Literaturrecherchen, Organisation von Workshops, Konzeption des Algorithmus, Programmieren einer Datenbank über Präsentationen und Diskussionen in den AG-Sitzungen bis hin zu den letzten Vorbereitungen für die Veröffentlichung der DGE-Empfehlungen. Dadurch hat sich bis zuletzt keine echte Routine eingestellt.
Weiterhin gab es zwar viele Menschen mit sehr guter Expertise rund um Ernährung, allerdings wenige rund um die Methode, mit der ich gearbeitet habe. Hier war die Herausforderung, Expert*innen zu finden, die uns unterstützen konnten und sich dann mit diesen auf Englisch über mathematische Methoden zu unterhalten.
Bei der Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen hat mir sehr geholfen, dass ich viel Sinn in der Überarbeitung der Ernährungsempfehlungen finde und dass mein Umfeld, egal ob beruflich oder privat, mich stark unterstützt hat.
© Reinhardt & Sommer
Was braucht es deiner Meinung nach, Wissenschaft nachvollziehbar und verständlich zu kommunizieren?
Anne Carolin Schäfer:
Mein Thema verständlich zu erklären, war tatsächlich am Anfang einfacher, als ich noch genau wusste, wie es mir als Einsteigerin ins Thema ging. Generell haben beim Kommunizieren natürlich die entsprechenden Module aus dem Studium geholfen sowie Fortbildungen zu Wissenschaftskommunikation und Medien bei der DGE.
Ich habe immer versucht, mich möglichst in die jeweilige Gruppe, mit der ich arbeiten werde, bzw. die mit den DGE-Empfehlungen arbeiten werden, hineinzuversetzen. Wenn ich zum Beispiel Bahn gefahren bin, habe ich mir die Menschen angeschaut und überlegt, wie sie wohl reagieren würden und welche Informationen ihnen helfen könnten. Was ich in der nächsten AG-Sitzung oder im nächsten Workshop erläutern wollte, habe ich vorher im Kopfkino diverse Male durchgespielt und mir so meine Worte zurechtgelegt. Ich glaube diese gedanklichen Generalproben waren besonders nützlich.
Um sein Gegenüber zu erreichen, muss man auch gut zuhören und im Austausch miteinander sein. Wenn ich unsicher war, wie ich etwas darstellen soll, habe ich oft andere um Rat gefragt. Das hat so gut wie immer zu einer Verbesserung des Vortrags oder der Formulierung geführt. Gerade für besondere Formate wie Science Slams habe ich mir viel Unterstützung bei meinem Team und bei meiner Familie und Freunden geholt und gemeinsam mit ihnen Ideen überlegt.
Was macht dir besondere Freude bei deiner Arbeit?
Anne Carolin Schäfer:
Am meisten schätze ich die Abwechslung, die Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit und mit Menschen zu arbeiten, die ebenfalls mit Leidenschaft für die Themen brennen.
Vielen Dank für das Gespräch.
© Reinhardt & Sommer, v.l.n.r.: Micha Limbeck, Dr. Kiran Virmani, Anne Carolin Schäfer, Prof. Dr. Bernhard Watzl, Dr. Johanna Conrad
Der Dr. Rainer Wild-Preis wird etwa alle zwei Jahre von der Dr. Rainer Wild-Stiftung vergeben. Er zeichnet Personen aus, die sich durch exzellente Beiträge zur Förderung einer gesunden Ernährung und nachhaltigen Entwicklung verdient gemacht haben. In diesem Jahr wurde er geteilt und ging an zwei herausragende Wissenschaftler*innen: die Ernährungswissenschaftlerin Anne Carolin Schäfer und den Physiker Prof. Dr. Thomas Vilgis.
Weitere Informationen:
DGE-Arbeitsgruppe "Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen"
Gesunde Ernährung
Pressemeldung:
DGE-Wissenschaftlerin Anne Carolin Schäfer mit Dr. Rainer Wild-Preis ausgezeichnet, veröffentlicht am 15. Mai 2025, abgerufen am 20. Juni 2025
Blogbeitrag:
Planetary Health Diet und DGE-Ernährungsempfehlungen – 5 Fragen an die Ernährungswissenschaften, veröffentlicht am 02. Februar 2023, abgerufen am 20. Juni 2025