Die aktuell für Deutschland gültigen lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen (Food-Based Dietary Guidelines, FBDG) der DGE wurden im März 2024 veröffentlicht: die DGE-Empfehlungen "Gut essen und trinken" und der DGE Ernährungskreis.
Die FBDG der DGE wurden mithilfe eines mathematischen Optimierungsmodells unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Ernährungs-, Gesundheits- und Umweltaspekten weiterentwickelt. Eine angemessene Energiezufuhr und die ausreichende Versorgung mit Nährstoffen bilden den Rahmen einer gesundheitsfördernden Ernährung. Der Schwerpunkt in der überarbeiteten Ableitung lag auf der Reduzierung des Verzehrs von Lebensmittelgruppen, die mit der Entstehung von ernährungsmitbedingten Krankheiten verbunden sind. Gleichzeitig wurde die Minimierung von schädlichen Umwelt- und Klimaeffekten (Treibhausgasemissionen und Landnutzung) in der Ableitung der FBDG berücksichtigt.
Die wissenschaftlichen Grundlagen und Ergebnisse der neuen FBDG für Deutschland wurden während des 61. DGE Kongresses vom 04. bis zum 05. März in Kassel präsentiert.
Häufig gestellte Fragen und Antworten
Methodik
Das mathematische Optimierungsmodell
Die wissenschaftlichen Grundlagen für die FBDG der DGE wurden mithilfe eines mathematischen Optimierungsmodells berechnet, wodurch mehrere Dimensionen von Nachhaltigkeit gleichzeitig vereinbart werden konnten.
Ein Optimierungsmodell besteht grundsätzlich aus
- Entscheidungsvariablen
- Nebenbedingungen und einer
- Zielfunktion.
Die Entscheidungsvariablen sind für die FBDG der DGE die Verzehrmengen für die einzelnen Lebensmittelgruppen (beobachteter Verzehr). Der Algorithmus berechnet die Mengen für die vorgegebenen Lebensmittelgruppen, die unter Einhaltung von Nebenbedingungen zur optimalen Lösung der Zielfunktion führen. Daraus ergibt sich für jede Lebensmittelgruppe ein Wert für den optimierten Verzehr. Die Nebenbedingungen sind akzeptable Verzehrmengen, Erfüllung der Nährstoffziele und agronomische Abhängigkeiten.
Die Zielfunktion minimiert die Abweichung vom beobachteten Verzehrmuster in Deutschland und reduziert die Krankheits- und Umweltlast. Damit wird innerhalb des Lösungsraums der Nebenbedingungen die Lösung gewählt, die dem beobachteten Verzehr am nächsten und gleichzeitig gesundheitsfördernd und umweltschonend ist.
Auf Basis der Optimierungsergebnisse und in Anlehnung an die bis dahin bestehenden FBDGder DGE sind diese aktualisiert worden (siehe die DGE-Empfehlungen „Gut essen und trinken“ und der DGE-Ernährungskreis).
Veröffentlichungen
Wissenschaftliche Grundlagen der lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen für Deutschland – Methodik und Ableitungskonzepte. Schäfer et al., EU 03/2024
Poster-Abstract:Deriving sustainable food-based dietary guidelines for Germany via multidimensional optimization: Insights to operationalise the diet-health dimension. Schäfer et al., CurrDevelopNutr, 5 (2021), 881, Suppl 2
Konsultationsprozess
Nach einer mehrstufigen Weiterentwicklung von Modell und Datengrundlage startete die DGE Ende 2022 in einen Konsultationsprozess.
In einem Workshop (15.12.2022) mit 56 von der DGE eingeladenen Teilnehmenden, darunter Wissenschaftler*innen verschiedener Institutionen im Ernährungs-, Landwirtschafts- und Umweltbereich sowie Vertreter*innen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), wurde die Methodik erstmals vorgestellt.
An der darauffolgenden öffentlichen Kommentierung (13.03. bis 30.04.2023) der präsentierten Methodik sowie der vorläufigen Optimierungsergebnisse beteiligten sich u. a. Ernährungsfachkräfte, Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen aus Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie sowie dem Verbraucherschutz. Insgesamt sind mehr als 1.000 Kommentare von 56 Wissenschaftler*innen, Fachgesellschaften, Institutionen, (Industrie-)Verbänden, Branchenvertreter*innen u. a. eingegangen. Die abgegebenen Kommentare wurden von der DGE-Arbeitsgruppe anschließend ausgewertet und in den weiteren Prozess zur finalen Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen für die deutschen FBDG einbezogen.
Es ist vorgesehen, alle eingegangenen Kommentare beantwortet in einem ausführlichen Dokument mit allen Informationen zu veröffentlichen. Dadurch wird auch nachvollziehbar sein, welche Anmerkungen inwiefern umgesetzt wurden.
Hintergrund
Für die Überarbeitung war die DGE-Arbeitsgruppe „Lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen" zuständig. Ihre Expertise für Ernährungswissenschaften wurde durch das Einbeziehen von Expert*innen für Umwelt erweitert.
Workshop
Die Möglichkeiten und Gründe für die Ableitung lebensmittelbezogener Ernährungsempfehlungen durch mathematische Methoden waren Gegenstand eines gemeinsamen Workshops der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) und der Federation of European Nutrition Societies (FENS) am 23. und 24. September 2019 in Bonn.
Workshop-Report: Integration of various dimensions in food-based dietary guidelines via mathematical approaches: report of a DGE/FENS Workshop in Bonn, Germany, 23–24 September 2019 (Schäfer et al., BrJNutr 126 (2021) 942–949)
Wie Mathe bei der Erstellung von Ernährungsempfehlungen helfen kann
Anne Carolin Schäfer erklärt in einem Science Slam die Hintergründe eines mathematischen Optimierungsmodells für die Ableitung lebensmittelbezogener Ernährungsempfehlungen
Weitere Informationen
Planetary Health Diet und DGE-Ernährungsempfehlungen – 5 Fragen an die Ernährungswissenschaften. Interview mit Prof. Dr. Bernhard Watzl und Anne Carolin Schäfer (DGE-BLOG 08/2022)
Einordnung der Planetary Health Diet anhand einer Gegenüberstellung mit den lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE (Breidenassel et al., EU 05/2022)
DGE-Positionspapier zur nachhaltigeren Ernährung (Renner et al., EU 07/2021)