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DGE-Blog

Wie nachhaltig sind Speisenproduktionssysteme in der Gemeinschaftsverpflegung?

In Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung essen deutschlandweit täglich etwa 16 Millionen Menschen. Umso wichtiger ist es daher, die Art und Menge eingesetzter Ressourcen für eine ausgewogene und nachhaltigere Ernährung zu analysieren. Denn sie unterscheiden sich je nachdem, welches Speisenproduktionssystem verwendet wird.
Gläser mit Salat gefüllt in einer Transportbox

Im In­ter­view sprech­en die Au­tor­in­nen Silke Thiele, Mareike Täger und Linda Chalupová ü­ber die Her­aus­for­der­ung­en der im 15. DGE-Er­nähr­ungs­be­richt ver­öf­fent­lich­en Studie: „A­na­ly­se und Be­wer­tung gäng­i­ger Spei­sen­pro­duk­tions­sys­tem­e in der Ge­mein­schafts­ver­pfle­gung hin­sicht­lich ei­ner nach­hal­ti­gen Pro­duk­tions­wei­se“.

Silke Thiele

Silke Thiele

­… ist Geschäftsführerin des ife Instituts für Ernährung und Ernährungswirtschaft e.V. sowie Dozentin an der Fachhochschule Kiel und der Universität Kiel. In Forschung und Lehre befasst sie sich mit den Themen Ernährung, Gesundheit und nachhaltigem Lebensmittelkonsum. Sie leitet verschiedene Forschungsprojekte, die sich u. a. mit politischen Maßnahmen zur Förderung gesunder und nachhaltiger Ernährungsweisen, Ernährungskommunikation, Ernährungserfassung und -optimierung sowie Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsverpflegung beschäftigen.

Frau Prof. Dr. Thiele, welche positiven Aspekte und welche Herausforderungen sind Ihnen bei der Beschäftigung mit dem Thema Speiseproduktionssysteme und Nachhaltigkeit begegnet?

Silke Thiele:
Positiv aufgefallen ist uns während der Bearbeitung vor allem das große Interesse aus der Praxis. Viele Verantwortliche möchten wissen, welches Speisenproduktionssystem sich in ihrem Betrieb für eine nachhaltige Produktionsweise eignet und wie sie ihre Betriebe durch die passende Wahl weiterentwickeln können.

Als Her­aus­for­der­ung­en ha­ben sich hin­ge­gen die gro­ße He­ter­o­ge­ni­tät der Be­trie­be in der Ge­mein­schafts­ver­pfle­gung so­wie die be­steh­en­den Da­ten­lück­en in die­sem Be­reich er­wie­sen.

Als Herausforderungen haben sich hingegen die große Heterogenität der Betriebe in der Gemeinschaftsverpflegung sowie die bestehenden Datenlücken in diesem Bereich erwiesen.
Beides erschwert es, allgemeingültige Aussagen abzuleiten und zeigt den Bedarf an weiterer Forschung.

Mareike Täger

Mareike Täger

… ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ife Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft e. V. im Fachbereich Ernährungsökonomie. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der Analyse von Ernährungskosten sowie der Mehrkosten ernährungsabhängiger Krankheiten. Sie ist in verschiedenen Forschungsprojekten tätig, u. a. in der Evaluation des EU-Schulprogramms für Obst, Gemüse und Milch sowie zuletzt im Projekt zur Analyse und Bewertung von Speisenproduktionssystemen hinsichtlich einer nachhaltigen Produktionsweise.

Dr. Täger, welche zentralen Erkenntnisse konnten Sie gewinnen und welche Erkenntnisse oder Studienergebnisse haben Sie überrascht?

Mareike Täger:
Das zentrale Ergebnis unserer Studie ist eine Bewertungsübersicht, die verschiedene Faktoren in den Dimensionen Umwelt, Gesundheit und Soziales zwischen den Speisenproduktionssystemen vergleicht. Dabei zeigte sich, dass es kein einheitlich „bestes“ System gibt – je nach Dimension und Indikator können unterschiedliche Systeme Vorteile haben.

Ü­ber­rasch­end war da­bei für uns, dass das Ver­fahr­en Cook & Hold beim En­er­gie­ver­brauch so gut ab­ge­schnit­ten hat.

Überraschend war dabei für uns, dass das Verfahren Cook & Hold beim Energieverbrauch so gut abgeschnitten hat. Das Warmhalten erwies sich als weniger energieintensiv, als wir zunächst angenommen hatten. Auch, dass Cook & Hold in Bezug auf die Nährstoffverluste am zweitbesten abschnitt, hat uns erstaunt. Gerade bei kurzen Warmhaltezeiten fallen die Verluste vergleichsweise gering aus. Allerdings beruhen die Studien hierzu überwiegend auf älteren Daten, und es gibt in diesem Bereich bislang nur wenig aktuelle Forschung.

Dr. Linda Chalupová

Dr. Linda Chalupová

… ist Professorin für Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften an der Hochschule Fulda. Sie engagiert sich in mehreren Vorstandsgremien, Nachhaltigkeitsausschüssen sowie ISO- und DIN-Arbeitsgruppen und begleitet Unternehmen als Nachhaltigkeitsmentorin.

Frau Prof. Dr. Chalupová, was können unter anderem Praktiker*innen und Anbietende, wie beispielsweise Caterer, aus den Studienergebnissen schließen und was nicht?

Linda Chalupová:
Die Ergebnisse bieten eine strukturierte Orientierung, um systembedingte Unterschiede sichtbar zu machen. Hieraus können Checklisten und Entscheidungshilfen abgeleitet werden.

Nicht ab­leit­bar sind pau­schal­e Em­pfehl­ung­en, ein end­gül­ti­ges Ran­king o­der stand­ort­spe­zi­fisch­e Ef­fek­te oh­ne Feld­test.

Nicht ableitbar sind pauschale Empfehlungen, ein endgültiges Ranking oder standortspezifische Effekte ohne Feldtest.

Gast lädt sich Kartoffeln auf den Teller

Ziel des Projekts war eine vergleichende Analyse ausgewählter Speisenproduktionssysteme. Sie soll Nachhaltigkeit und gesundheitliche Aspekte von „Cook & Serve“ , „Cook & Hold“ , „Cook & Chill“  und „Cook & Freeze“  im Hinblick auf eine nachhaltige Produktionsweise bewerten, um auf dieser Basis Handlungsempfehlungen für Akteur*innen in Politik und Praxis abzuleiten.

Frau Prof. Dr. Chalupová, welche nächsten Schritte ergeben sich für die Indikatoren und Bewertungsmatrix und was wünschen Sie sich für Ihre Pilotstudie?

Linda Chalupová:
Für Indikatoren und Bewertungsmatrix sehe ich drei Schritte:

  1. Übertragung auf weitere Versorgungsbereiche und Ergänzung um setting-spezifische Kriterien
  2. Operationalisierung in praxistaugliche Checklisten/Entscheidungsbäume,
  3. methodische Schärfung durch standardisierte Mindestdatensätze und, wo möglich, Sensitivitätsanalysen zur Abfederung von Datenlücken.

Für die Pilotstudie wünsche ich mir Erprobung unter Realbedingungen in ausreichend diversen Einrichtungen, die Personalknappheit, Budgetrestriktionen sowie technische/räumliche Limits explizit mitmessen.

Ziel ist kei­ne One-size-fits-all-Em­pfehl­ung, son­dern be­last­bar­e, kon­text­be­zo­ge­ne Or­ien­tier­ung für die Aus­wahl und Wei­ter­ent­wick­lung nach­hal­ti­ger SPS.

Ziel ist keine One-size-fits-all-Empfehlung, sondern belastbare, kontextbezogene Orientierung für die Auswahl und Weiterentwicklung nachhaltiger SPS.

Vielen Dank für das Gespräch.

15. DGE-Ernährungsbericht

Die Studie "Analyse und Bewertung gängiger Speisenproduktionssystem in der Gemeinschaftsverpflegung hinsichtlich einer nachhaltigen Prduktionsweise" erschien 2024 im 15. DGE-Ernährungsbericht in Kapitel 14.