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DGE-Blog

Die DGE im Wandel der Zeit: Ernährungswissenschaft und Ernährungskommunikation für die Gesundheit der Bevölkerung

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) ist die für Deutschland zuständige Wissenschaftliche Fachgesellschaft im Bereich Ernährung. Zu den vielfältigen Aufgaben und den verschiedenen Herausforderungen früher und heute haben wir mit der Geschäftsführerin der DGE, Dr. Kiran Virmani, gesprochen.
Hauptgeschäftsstelle der DGE in Bom

Dr. Kiran Virmani

Kiran Virmani lächelt in die Kamera.

© Fotostudio Reuther

…ist Wis­sen­schaft­lich­e Lei­ter­in und Ge­schäfts­führ­er­in der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.
Sie initiiert und koordiniert die fachlichen Aufgaben der DGE und repräsentiert sie nach außen. Außerdem ist Virmani für Finanzen und Haushalt, Personalwesen und organisatorische Belange verantwortlich.

Frau Virmani, schön, dass Sie mit uns einen kleinen Ausflug in die Geschichte und die Aufgabenbereiche der DGE unternehmen. Zunächst zu den Anfängen, der Gründung der DGE im Jahr 1953. Gab es damals einen bestimmten Anlass für die Gründung?

Kiran Virmani:
Ja. Deutschland wurde 1952 von der International Union of Nutritional Sciences (IUNS) aufgefordert, eine repräsentative, unabhängige und wissenschaftlich arbeitende Vertretung der deutschen Ernährungswissenschaft zu gründen und IUNS beizutreten. Davor war die Ernährungswissenschaft durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsforschung (DGEF), einer Vorgängerorganisation der DGE, vertreten worden. 1953 haben sich dann deutsche Vertreter*innen aus Ernährung, Medizin und Landwirtschaft auf eine dreimonatige Studienreise in die Vereinigten Staaten begeben. Das war der Startschuss für die Gründung der DGE nach amerikanischem Vorbild am 4. November 1953 als gemeinnütziger Verein.

Was gehörte denn in der Anfangszeit zu den Hauptaufgaben der DGE?

Kiran Virmani:

Schon damals war der Auftrag der DGE, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Bevölkerung durch „Anleitung zu einer gesunden Ernährung“ zu erhalten bzw. zu steigern. Die ersten beiden Abteilungen waren übrigens „Allgemeinernährung“ und „Krankenernährung“. Für die damalige Zeit innovativ war die Entscheidung der DGE, die Mitglieder ihres Ernährungsberatungsdienstes selbst auszubilden. Dazu wurde an der damaligen Medizinischen Akademie in Düsseldorf 1956 das (Fortbildungs-)Institut für Ernährungsberatung und Diätetik (IED) gegründet. Für die Berufsgruppe der Diätassistent*innen wurde ein pädagogisches Konzept entwickelt, das auch heute noch in weiten Teilen Gültigkeit hat.

Inwiefern hat sich der Aufgabenbereich der DGE über die Jahre geändert?

Kiran Virmani:
Grundsätzlich sind die Aufgaben der DGE über die Zeit sehr ähnlich geblieben. Auch heute erarbeiten wir auf der Grundlage von Forschungsergebnissen die für Deutschland gültigen Ernährungsempfehlungen. Diese Erkenntnisse transferieren wir dann zielgruppengerecht, um die Gesundheit der Bevölkerung unter nachhaltigen Aspekten langfristig zu fördern und zu erhalten. Allerdings sind heute die Komplexität und die Anforderungen an unsere Aufgaben deutlich höher geworden. Und die DGE hat heute mehr Mitarbeitende. Auch ist unser Angebot vielfältiger geworden.

Beispielsweise wird heute nicht mehr allein der Gesundheitsaspekt, sondern der Einfluss der Ernährung auf Gesundheit und Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Beispielsweise wird heute nicht mehr allein der Gesundheitsaspekt, sondern der Einfluss der Ernährung auf Gesundheit und Nachhaltigkeit berücksichtigt. Ebenso hat sich in der Kommunikation sehr viel geändert. So gibt es zusätzlich zu Printmedien auch Online-Medien und die Social-MediaKanäle, die bedient werden. Im Vergleich zu Influencer*innen, bei denen wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen können, ist die DGE eine zuverlässige und seriöse Informationsquelle.

Der Öffentlichkeit ist die DGE vor allem durch die Ernährungsempfehlungen bekannt. Aber die DGE ist auch in vielen anderen Bereichen aktiv. Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?

Kiran Virmani:

Wir erarbeiten wissenschaftliche Empfehlungen, Grundlagen und Aussagen zu einer gesundheitsfördernden Ernährung, wie z. B. Leitlinien, Stellungnahmen, Positionspapiere sowie Inhalte für den DGE-Ernährungsbericht. Wir haben zahlreiche Angebote für Fachkräfte, die in der Ernährungsbildung, -beratung und -therapie tätig sind. Dazu zählen Fachmedien, zertifizierte Präventionskonzepte wie ICH nehme ab oder die Ernährungssoftware DGExpert. Außerdem sind wir eine wichtige Ansprechpartnerin in der Qualitätssicherung der Ernährungsberatung und Außer-HausVerpflegung. Unter anderem legen wir Standards fest, die zur Gestaltung von Rahmenbedingungen beitragen und bieten Zertifizierungen und Schulungen an. Für Multiplikator*innen gestalten wir verschiedene Bildungsangebote wie Lehrgänge auf Basis eines Curriculums und Seminare. Mit dem jährlichen DGE-Kongress bieten wir dem wissenschaftlichen Nachwuchs als auch erfahrenen Wissenschaftler*innen einen nationalen und länderübergreifenden wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch und die Gelegenheit, Stellung zu aktuellen Ernährungsfragen zu beziehen.

Viele dieser Angebote sind präventiv ausgerichtet. Gibt es auch therapeutische Angebote?

Kiran Virmani:

Ja. Die Ernährungstherapie ist ebenso wie die Prävention Teil der DGE-Arbeit und zieht sich bis heute durch alle Bereiche der DGE. Das ist auch so in unserer Satzung verankert.

Die Ernährungstherapie ist ebenso wie die Prävention Teil der DGE-Arbeit und zieht sich bis heute durch alle Bereiche der DGE. Das ist auch so in unserer Satzung verankert.

Beispiele hierfür sind die Leitlinienarbeiten zu diätetischen Themen wie etwa die AWMF S3-Leitlinie „Adipositas – Prävention und Therapie“, die AWMF S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Hyperlipidämien bei Kindern und Jugendlichen“ oder der Leitfaden „Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP)“. Auch die seit 1995 erscheinenden DGE-Beratungsstandards behandeln die Ernährungstherapie bei Lebensmittelunverträglichkeiten, Stoffwechselerkrankungen, gastrointestinalen und weiteren Erkrankungen sowie Essstörungen. Das Gleiche gilt für die DGE-Infotheken, die sich beispielsweise mit Essen und Trinken bei Reizdarmsyndrom oder Osteoporose befassen. Auch in den Broschüren der Reihe DGE-Praxiswissen und im Fachmagazin DGEwissen ist die Therapie regelmäßig ein Thema.

Wir haben Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kliniken und Senioreneinrichtungen oder den DGE-Leitfaden Kostformen, in dem die Prinzipien der Vollkost sowie der ernährungstherapeutischen Kostformen (Diäten) und deren praktische Umsetzung in der Gemeinschaftsverpflegung beschrieben sind, erarbeitet. Weiterhin nehmen wir an Aktionen wie dem NutritionDay oder der Malnutrition Awareness Week teil – alles therapeutische Themen.

Auch die Fort- und Weiterbildung von Ernährungsfachkräften betrifft den therapeutischen Bereich, denn die meisten der von uns ausgebildeten Ernährungsfachkräfte sind anschließend in der Therapie tätig.

Auch die Fort- und Weiterbildung von Ernährungsfachkräften betrifft den therapeutischen Bereich, denn die meisten der von uns ausgebildeten Ernährungsfachkräfte sind anschließend in der Therapie tätig.

Das sind wirklich sehr viele herausfordernde Projekte. Wie schaffen Sie es, dies alles zu koordinieren und den Überblick zu behalten?

Kiran Virmani:

Ich bin gut organisiert, liebe die Themenvielfalt und arbeite mit einem großartigen, sehr motivierten Team und dem ehrenamtlichen Wissenschaftlichen Präsidium zusammen, ohne die die Arbeitsergebnisse der DGE nicht möglich wären. Die verschiedenen Bereiche der DGE arbeiten sehr gut vernetzt, und wir genießen das Zusammentreffen, auch bei Team-Aktivitäten, die unsere Arbeitsatmosphäre unterstützen.

Wenn Sie in die Zukunft blicken – worin sehen Sie die größten Herausforderungen?

Kiran Virmani:

Eine große Herausforderung ist die aktuelle Finanzsituation des Bundes sowie der hohe Anteil an befristeten Stellen bei der DGE. Für uns ist es wichtig, das Know-how der Mitarbeitenden zu erhalten, was bei den vielen befristeten Stellen nicht einfach ist. Glücklicherweise gelingt es uns recht gut, bei Vakanzen neue Mitarbeitende zu finden und die bestehenden Mitarbeitenden bei uns zu halten. Eine interessante Herausforderung ist die KI, mit der wir uns intensiv befassen und die wir in unsere Arbeit integrieren.

Liebe Frau Dr. Virmani, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Dr. Gunda Backes. Es ist zuerst im DGE-Wissenschaftsmagazin DGEwissen 07/2025 erschienen.