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12. DGE-Ernährungsbericht 2012

Kapitel 4

Lebensmittelsicherheit

Nachdem sich die vergangenen Ernährungsberichte den Themen „Mikrobielle Aspekte der Ernährung“ sowie „Toxikologische Aspekte der Ernährung“ widmeten, bündelt der aktuelle Ernährungsbericht nun beide Aspekte unter dem Schlagwort „Lebensmittelsicherheit“.

Unter „Lebensmittelsicherheit" sind zum einen pathogene Mikroorganismen wie Bakterien und Viren zu verstehen, die beim Menschen sogenannte „Lebensmittelvergiftungen“ auslösen können. Zum anderen gibt es viele unerwünschte Stoffe, die auf unterschiedlichen Wegen in Lebensmittel gelangen können. Dazu zählen Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika, Mykotoxine, aber auch Dioxine oder Schwermetalle. Sie spielen vor allem aus Sicht der Verbraucher eine wichtige Rolle. Erstmals wird in einem Ernährungsbericht auch dargestellt, wie die Risikobewertung für Rückstände und Kontaminanten erfolgt.

Hintergrund

In den vergangenen 25 Jahren hat die Bedeutung von Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen in Europa zugenommen. Die dadurch jährlich entstehenden volkswirtschaftlichen Schäden etwa durch Arbeitsunfähigkeit und medizinische Behandlungen sind erheblich.

Als Gründe für diese Zunahme werden der wachsende Außer-Haus-Verzehr sowie der verstärkte Verzehr roher, unbehandelter Lebensmittel diskutiert. Daneben spielen auch der demografische Wandel, der mit einem zahlenmäßigen Anstieg älterer Menschen, einer besonders vulnerablen Gruppe, verbunden ist, sowie die zunehmende Resistenz von Erregern gegenüber Antibiotika eine wichtige Rolle. Hinzu kommen weiter optimierte mikrobiologische Nachweis- und Meldesysteme, die zu einer besseren Erfassung geführt haben.

Aus Verbrauchersicht spielen im Rahmen der Lebensmittelsicherheit Rückstände und Kontaminanten eine wichtige Rolle. Hinsichtlich des tatsächlichen Risikos, das von diesen beiden Gruppen sicherheitsrelevanter Stoffe in Lebensmitteln ausgeht, bestehen jedoch beträchtliche Unterschiede. Die aktuelle Situation bei Rückständen und Tierarzneimitteln ist zwar ebenfalls Gegenstand des vorliegenden Kapitels, von weit höherer Relevanz sind jedoch die Kontaminanten, die unbeabsichtigt in Lebensmittel gelangen. Dazu zählen die Lebensmittelsicherheit gefährdende Stoffe wie halogenierte Kohlenwasserstoffe inklusive der polychlorierten Biphenyle und Dioxine sowie perfluorierte Substanzen. Ein wichtiges Instrument ist hier das Monitoring der Muttermilch, um Maßnahmen zur Reduktion dieser Schadstoffe in der Umwelt zu überprüfen.

Nach wie vor stehen Aspekte der Zubereitung und Verarbeitung von Lebensmitteln im Mittelpunkt der Lebensmittelforschung und -überwachung. In den vergangenen Jahren mussten zur Liste gesundheitlich bedenklicher Stoffe wie Acrylamid, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und heterozyklische aromatische Amine (HAA) auch Furan und MCPD-Ester hinzugefügt werden.

Mikrobiologische Aspekte

Lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche werden durch das Robert Koch-Institut (RKI) erfasst und durch für Risikobewertung (BfR) ergänzt. So kann die Situation der wichtigsten lebensmittelbedingten Infektionen und Intoxikationen ebenso wie das Vorkommen der ursächlichen Erreger in Lebensmitteln derzeit und im Vergleich zu früheren Jahren dargestellt werden (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1 | Von Deutschland an die EFSA übermittelte verifizierte* lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche, 2007 bis 2010

Nachgewiesene Erreger/Agenzien

Ur­säch­lich­e Le­bens­mit­tel (Kategorie) Sal­mo­nel­len Bakt. Tox­in­bild­ner*** Cam­py­lo­bac­ter spp. Lis­ter­i­en EHEC**** Vir­en Pa­ra­si­ten His­ta­min Sum­me
Back­war­en 20               20
Ei/Ei­pro­duk­te** 13               13
Fisch/Fisch­er­ei­er­zeug­nis­se   1   1       7 9
Fleisch/
Fleisch­war­en
24 8       2 2   36
Ge­mü­se/-er­zeug­nis­se 2         4     6
Ge­trei­de/
-er­zeug­nis­se
3 4             7
Kä­se   1   1 1       3
Milch   1 5   1       7
Milch­pro­duk­te** 11 1             12
Süß­war­en** 2               2
zu­sam­men­ge­setz­te Spei­sen, Buf­fet 27 12       3     42
an­der­e Le­bens­mit­tel 4 2           1 7
un­be­kannt 3               3
Ge­samt 109 30 5 2 2 9 2 8 167
* ab dem Berichtsjahr 2010 von der EFSA bezeichnet als „lebensmittelbedingte Ausbrüche mit hoher Evidenz“
** inklusive Desserts
*** Bacillus cereus, Clostridium botulinum, Clostridium perfringens, Staphylococcus aureus
**** Enterohämorrhagische Escherichia coli

Zur Vermeidung lebensmittelbedingter Ausbrüche ist die richtige Küchenhygiene die wichtigste Präventionsmaßnahme. Besonders die ausreichende Kühlung von Speisen, gründliches Händewaschen und der regelmäßige Austausch von Küchenutensilien können der starken Vermehrung von Krankheitserregern entgegenwirken. Im Einzelnen können nachfolgende Regeln helfen, dass Krankheitserreger nicht in Lebensmittel gelangen oder möglicherweise darin enthaltene Erreger absterben:

  • leicht verderbliche Lebensmittel ausreichend kühlen (Kühlschranktemperatur auf 4 bis 6 °C einstellen, Kühlempfehlungen auf der Packung beachten oder Lebensmittel am Einkaufstag verbrauchen, Lebensmittel in geschlossenen Behältern oder vollständig abgedeckt lagern, Kühlschrank mehrmals im Jahr reinigen),
  • gefrorene Lebensmittel im Kühlschrank auftauen, Tauwasser und Verpackung sorgfältig entsorgen,
  • leicht verderbliche Lebensmittel nach dem Öffnen der Verpackung und Reste von zubereiteten Speisen innerhalb von zwei bis drei Tagen verbrauchen,
  • vor und während der Speisenzubereitung sowie vor dem Essen Hände mit warmem Wasser und Seife waschen und sorgfältig abtrocknen,
  • Obst, Gemüse, Blattsalate und Kräuter gründlich waschen (erdnah gewachsenes Gemüse außerdem möglichst vor dem Rohverzehr schälen),
  • Lebensmittel möglichst mit sauberem Besteck und nicht mit den Händen zubereiten,
  • Schneidbretter, Teller, Messer und andere Küchenutensilien nach der Verarbeitung von rohen Lebensmitteln und vor der Wiederverwendung sorgfältig mit heißem Wasser und Spülmittel reinigen,
  • rohe tierische Lebensmittel und Reste zubereiteter Speisen vor dem Verzehr ausreichend erhitzen (mindestens für zwei Minuten auf + 70 °C oder darüber im Inneren des Lebensmittels, im Zweifelsfall die Temperatur mit einem Fleischthermometer überprüfen),
  • warme Speisen bei Temperaturen von über + 65 °C heiß halten bzw. innerhalb von wenigen Stunden auf unter + 7 °C abkühlen (größere Mengen dafür in mehrere flache Schalen füllen),
  • Handtücher, Lappen, Schwämme und Spülbürsten regelmäßig austauschen (vor allem nach der Zubereitung von rohen Lebensmitteln), Küchentextilien in der Waschmaschine und Spülbürsten in der Spülmaschine bei mindestens + 60 °C waschen.

Die Aufklärung des Verbrauchers über den sachgerechten Umgang mit Lebensmitteln ist besonders wichtig, da sich Einträge von Krankheitserregern in die Lebensmittelkette nicht sicher verhindern lassen. Vulnerable Personengruppen wie Schwangere, ältere Menschen oder Kinder sollten auf den Verzehr der bekannten Risikolebensmittel verzichten.

Bakterielle Infektionen

Insgesamt sind die Meldezahlen zu Salmonellen-Infektionen des Menschen, insbesondere durch Salmonella enteritidis, seit einigen Jahren stark rückläufig. Das zeigen auch Untersuchungsergebnisse von rohem Hähnchen- und Schweinefleisch sowie Hühnereiern. Dagegen ist die Zahl von Infektionen mit Campylobacter deutlich höher. Hier fehlen jedoch bisher vergleichbare, effektive Bekämpfungsmaßnahmen. Dies belegen vor allem die über die Jahre fast gleichbleibend hohen Nachweisraten dieses Bakteriums in rohem Geflügelfleisch.

Infektionen mit EHEC (Enterohämorrhagische Escherichia coli) können leichte bis schwere Durchfallerkrankungen auslösen. Vor allem bei Kindern droht als Folge einer Infektion das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das sich in Nierenversagen äußern und im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Insgesamt wurden in den Jahren 2007 bis 2010 weniger EHEC-Fälle gemeldet als in den Jahren 2003 bis 2006. Im Rahmen des sprossenassoziierten EHEC-Ausbruchs im Frühsommer 2011 kam es in Deutschland jedoch zu einem deutlichen Anstieg der Meldezahlen.

Eher selten, dafür aber besonders gefährlich für ältere und immungeschwächte Personen sind Infektionen mit Listerien. Listerien sind in der Umwelt weit verbreitet. Infektionen mit dem wichtigsten Vertreter Listeria monocygotenes können beim Menschen die sogenannte Listeriose auslösen. In den Jahren 2007 bis 2010 wurde der Grenzwert lediglich bei einzelnen Proben, vor allem in Fleisch, Fisch, Weichkäse und Milchprodukten, überschritten. In den Jahren 2007 bis 2011 wurden jährlich zwischen 306 und 394 Listeriose-Fälle gemeldet, wobei etwa 10 % aller Fälle tödlich endeten.

Für die Untersuchung von Lebensmitteln mit Yersinien, die beim Menschen die Yersiniose auslösen können, fehlen einfache und zuverlässige Untersuchungsverfahren. Daher wurden in den letzten Jahren im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung nur wenige Lebensmittel routinemäßig auf das Vorkommen dieses Erregers untersucht.

Virale Infektionen

Bei den viralen Infektionen werden vor allem hohe Meldezahlen von Noroviren, Rotaviren und Hepatitis E-Viren beobachtet. Hier besteht noch großer Forschungsbedarf, denn für die meisten Lebensmittelgruppen fehlen geeignete Nachweisverfahren, sodass sich der tatsächliche Anteil lebensmittelbedingter Virusinfektionen noch nicht abschätzen lässt.

Parasitäre Infektionen

Zu den wichtigsten parasitären Infektionen zählt die Trichinellose, die in Deutschland aber sehr selten auftritt. Dies dürfte auf die Mastschweinbestände zurückzuführen sein, die hierzulande praktisch trichinenfrei sind. Häufiger tritt die Trichinellose in einigen osteuropäischen Ländern auf, sodass besonders der Verzehr von rohem Fleisch oder roher Wurst aus diesen Ländern zu einer entsprechenden Infektion führen kann.

Die Bedeutung der Toxoplasmen lässt sich für Deutschland noch nicht abschließend bewerten, da nur angeborene Fälle der Meldepflicht unterliegen und Lebensmittel gewöhnlich nicht auf Toxoplasmen untersucht werden. Schwangere ohne ausreichenden Antikörperschutz sollten bekannte Risikolebensmittel wie Rohwurst oder Rohschinken wegen der schwerwiegenden Folgen einer Erstinfektion unbedingt meiden.

Unklar ist derzeit auch die Bedeutung von Lebensmitteln für die Übertragung von Giardia duodenalis. Hier gibt es trotz hoher Meldezahlen bisher wenig Beachtung.

Bakterielle Intoxikationen

Bakterielle Intoxikationserreger bilden während ihrer Vermehrung Toxine, die in das Lebensmittel abgegeben oder erst im Verdauungstrakt des Menschen freigesetzt werden. Dazu zählen etwa Clostridium perfringens, Bacillus cereus und Staphylococcus aureus. Nach § 6 Infektionsschutzgesetz ist jedoch nur der Botulismus meldepflichtig. In Deutschland sind in den Jahren 2007 bis 2011 insgesamt 39 Fälle von Botulismus gemeldet worden, mit mindestens einem tödlichen Ausgang.

Durch die zunehmende Globalisierung und die Vielzahl an Reisen werden jährlich auch in Deutschland Erkrankungen gemeldet, die im Ausland erworben wurden. Dazu gehören beispielsweise Typhus abdominalis, Paratyphus, Shigelliose und Brucellose.

Die Anzahl von bakteriellen Intoxikationen wird mit Ausnahme von Clostridium botulinum möglicherweise unterschätzt, da Betroffene eher selten einen Arzt aufsuchen und nur einzelne lebensmittelbedingte Ausbrüche aufgeklärt werden.

Unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln

Von unerwünschten Substanzen in Lebensmitteln können gesundheitliche Gefahren ausgehen. Aufgabe der Risikobewertung ist das Erkennen, Quantifizieren und Verhüten dieser Gefahren. Im Mittelpunkt steht dabei der vorbeugende Verbraucherschutz. Nach erfolgter Risikobewertung von Einzelsubstanzen oder Substanzgruppen werden gesetzliche Maßnahmen des Verbraucherschutzes (Risikomanagement) wie Beschränkungen oder Verbote der Anwendungen sowie die Festsetzung von Wartezeiten beschlossen. Dabei können im Rahmen des Risikomanagements Grenzwerte oder Höchstgehalte festgelegt werden, die verbindliche Regelungen über die Belastung von Lebensmitteln mit bestimmten Stoffen, Rückständen oder Kontaminanten schaffen.

Grundlagen der Risikobewertung

Die Risikobewertung beinhaltet die Gefahrenidentifizierung, die Gefahrenbeschreibung, die Expositionsabschätzung sowie die finale Risikocharakterisierung. Diese sind für eine wissenschaftliche Risikobewertung unabdingbar. Auch die begleitende Risikokommunikation spielt eine wichtige Rolle, da potenzielle Risiken stofflicher Art in der Bevölkerung deutlich anders wahrgenommen werden können als in der wissenschaftlichen Bewertung.

Eine zentrale Frage in der Risikobewertung ist, welche Mengen von in Lebensmitteln enthaltenen Stoffen gesundheitlich unbedenklich sind. Dafür müssen die Obergrenzen des duldbaren Zufuhrbereichs der betreffenden Stoffe auf der Basis toxikologischer Daten abgeschätzt werden. Auf internationaler Ebene sind hierfür wissenschaftliche Gremien wie das FAO/WHO-Expertenkomitee für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA) sowie die „Scientific Panels“ der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zuständig. Auf nationaler Ebene ist dies Aufgabe des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Die von diesen Gremien abgeleiteten Grenzwerte für die duldbare Zufuhr bilden die Grundlage für zu entwickelnde Rechtsvorschriften im Rahmen des Risikomanagements.

Basis dieser Ableitungen sind DosisWirkungs-Beziehungen, die meist in Tierversuchen, aber auch mit Invitro-Experimenten ermittelt werden. Dabei wird die Dosis der zu untersuchenden Substanz, bei der keine statistisch signifikante, durch die Dosis ausgelöste Wirkung beobachtet werden kann, als NOEL (No Observed Effect Level) bezeichnet. Die Dosis, die den geringsten messbaren Effekt induziert, heißt LOEL (Lowest Observed Effect Level). Im Gegensatz dazu wird die Dosis mit NOAEL (No Observed Adverse Effect Level) bezeichnet, bei der keine schädigende Wirkung eintritt. LOAEL (Lowest Observed Adverse Effect Level) ist dementsprechend die Dosis, bei der erste schädigende Wirkungen zu beobachten sind.

Für die Beschreibung und Quantifizierung potenzieller Risiken werden verschiedene Bewertungskonzepte herangezogen. Dazu zählt der sogenannte Margin of Safety (MoS), der ermittelt wird, um eine ADI- oder TDI-Überschreitung zu bewerten. Für Substanzen, die kanzerogen oder genotoxisch wirken, kann generell keine Schwellendosis ermittelt werden. In diesem Fall gilt es, die Exposition des Menschen auf das technologisch Mögliche zu minimieren. Dies wird mit dem sogenannten ALARA-Prinzip (as low as reasonable achievable) deutlich gemacht. Der Margin of Exposure (MoE) ist eine weitere Möglichkeit, das Risiko von genotoxischen und kanzerogenen Substanzen abzuschätzen. Zusätzlich kann anhand struktureller Eigenschaften von Substanzen beurteilt werden, inwieweit eine Substanz toxische Eigenschaften besitzt. Dies wird durch den TTC (Threshold of Toxicological Concern) ausgedrückt.

Bei der „Risk/Benefit“-Bewertung von Lebensmitteln geht es darum, ihre bekanntlich wichtigen Inhaltsstoffe wie etwa Vitamine mit potenziell problematischen Substanzen, wie z.B. Pflanzenschutzmitteln, abzugleichen und eine Gesamtbewertung des Lebensmittels zu erreichen. Hierfür schlägt der Wissenschaftliche Ausschuss der EFSA vor, die Paradigmen der Risikobewertung zu spiegeln. Dazu zählen neben der Identifizierung des positiven gesundheitlichen Nutzens die Charakterisierung dieses Nutzens sowie eine Expositionsabschätzung und Nutzenbewertung.

Rückstände von Pflanzenschutzmitteln

Die Häufigkeit des Vorkommens von Pflanzenschutzmittelmitteln und ihren Rückständen wird auf Basis der jährlichen „Nationalen Berichterstattung Pflanzenschutzmittel in Lebensmitteln“ des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und der durch das BVL ergänzend dazu seit 2009 veröffentlichten Auswertungen der amtlichen Untersuchungsergebnisse berichtet und bewertet.

In Deutschland wurden in den Jahren 2006 bis 2009 insgesamt 70358 Proben untersucht, was einer Steigerung um etwa 31 % im Vergleich zu den Jahren 2002 bis 2005 entspricht. Dabei wiesen 39,1 % der Proben keine nachweisbaren Rückstände auf, 56,6 % enthielten Rückstände unterhalb des zulässigen Höchstgehalts und 4,3 % lagen über diesem Wert. Im Verlauf der drei Jahre nahm der Anteil an Höchstgehaltsüberschreitungen stetig ab. Schwerpunktmäßig wurden dabei wie in den Jahren zuvor vor allem Obst und Gemüse untersucht. Im Hinblick auf Mehrfachrückstände ergab sich folgendes Bild: Bei 25613 von 63938 Proben waren mehrere Rückstände nachweisbar. Ein Drittel dieser Proben enthielt zwei Rückstände, ein Fünftel drei und ein weiteres Fünftel mehr als fünf Rückstände. In 4 % der Proben wurden zehn und mehr Rückstände gefunden. Kleinkindernahrung war meist ohne nachweisbare Rückstände.

Das durchgeführte Ökomonitoring machte deutlich, dass von 5028 untersuchten pflanzlichen Biolebensmitteln 81,2 % keine nachweisbaren Rückstände enthielten. Insgesamt waren in 18,4 % der Proben Rückstände zu messen, die meist im Spurenbereich unter 0,01 mg/kg lagen. Lediglich bei 0,8 % der Proben lagen die Rückstände über den zulässigen Höchstgehalten der VO (EG) Nr. 396/2005. Bei den Ökoerzeugnissen war auch der Anteil an Mehrfachrückständen deutlich geringer als bei konventionell erzeugten Produkten.

Damit hat sich die Situation bezüglich der Rückstände weiter positiv entwickelt. Vor allem Kleinkindernahrung und Ökolebensmittel waren meist unbelastet. Aus Sicht der Beurteilung von Rückständen sollte daher keinesfalls auf den ernährungsphysiologisch empfohlenen hohen Verzehr von Gemüse und Obst verzichtet werden.

Rückstände in tierischen Lebensmitteln

Über das Vorkommen von Rückständen von Tierarzneimitteln, verbotenen Stoffen und Kontaminanten in tierischen Lebensmitteln informieren zwei verschiedene Kontrollpläne: der Nationale Rückstandskontrollplan (NRKP) der Jahre 2006 bis 2009 und der Einfuhrrückstandskontrollplan (ERKP) für 2008 und 2009. Hinzu kommen die jährlich vom BVL herausgegebenen, im Internet veröffentlichten Berichte zur Lebensmittelsicherheit.

Im Rahmen des NRKP wurden von 2006 bis 2009 204531 Proben von Tieren bzw. tierischen Erzeugnissen auf 660 bis 751 Stoffe geprüft. Dabei wurde jede Probe auf ein bestimmtes Stoffspektrum aus dieser Palette getestet. Von allen Proben wurden 687 (0,3 %) beanstandet. Sie enthielten entweder verbotene Substanzen oder Rückstände oberhalb der Höchstgehalte. Dazu kamen 1041673 Proben, die auf Hemmstoffe von Antibiotika untersucht wurden. Von ihnen wurden 0,2 % beanstandet.

Im Berichtszeitraum spielte die illegale Anwendung hormonell wirksamer Stoffe zur Leistungssteigerung keine Rolle. Bei den antibakteriell wirksamen Stoffen wie Sulfonamiden oder Tetracyclinen wurden die Höchstgehalte mit 0,1 % bis 0,2 % der Proben von Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Pferd etwa gleichbleibend überschrit- ten. Bei den Kokzidiostatika, die als Futtermittelzusatzstoffe eingesetzt werden, kam es in den letzten Jahren zu Problemen durch Verschleppung bei der Futtermittelherstellung. Vor allem Schafe, Wild, Kühe und Schweine waren mit Quecksilberrückständen in Nieren und Lebern belastet (insgesamt 3,8 % der untersuchten Proben).

Bei Freilandeiern wurde der Höchstgehalt für Dioxine und dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle elfmal überschritten, bei Bodenhaltung viermal. Bei Eiern aus ökologischer Erzeugung und Käfighaltung wurden keine Höchstmengenüberschreitungen festgestellt.

Malachitgrün wurde bei Fisch in einigen Fällen illegal gegen Parasiten und Pilzerkrankungen eingesetzt. So waren von 969 Forellenproben 33 Proben rückstandsbelastet, bei Karpfen waren sieben von 569 Proben positiv.

Die Daten des ERKP ergaben folgendes Bild: Von 2008 bis 2009 wurden an knapp 3000 Proben aus über 40 Ländern etwa 45000 Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurden als Hauptproblem Rückstände von Metaboliten aus Nitrofuranen identifiziert, deren Einsatz bei lebensmittelliefernden Tieren verboten ist.

Insgesamt war die Belastung von tierischen Lebensmitteln mit unzulässigen Stoffen oder mit Stoffen, deren Gehalte oberhalb der zulässigen Höchstgehalte liegen, in den Jahren 2006 bis 2009 gering. Ein gesundheitliches Risiko besteht damit für den Verbraucher nicht, selbst wenn ein gelegentlicher Verzehr dieser Lebensmittel erfolgen sollte. Zukünftig wird der Untersuchungsschwerpunkt weiterhin auf der Quecksilber- und Dioxinbelastung tierischer Lebensmittel, aber auch auf der Malachitgrün und Nitrofuranbelastung von Aquakulturerzeugnissen liegen.

Umweltkontaminanten in Lebensmitteln und Frauenmilch

Für die Bewertung des Vorkommens von Umweltkontaminanten bilden Daten aus dem Lebensmittel-Monitoring und aus aktuellen Statuserhebungen die Basis.

Bei den Umweltkontaminanten in Lebensmitteln liegt der Fokus auf Dioxinen, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), perfluorierten Tensiden (PFT) und anderen toxischen Elementen. Im Rahmen einer bundesweiten Statuserhebung zu Dioxinen in Futtermitteln und vom Tier stammenden Lebensmitteln wurden in den Jahren 2004 bis 2008 etwa 1100 Proben auf Dioxine und polychlorierte Biphenyle (PCB) untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Dioxinbelastung im Vergleich zu den Jahren 1995 bis 1999 deutlich verringert hat, was auch regelmäßige Untersuchungen von Molkereiprodukten in Nordrhein-Westfalen bestätigen.

Auf PAK wurden im Jahr 2009 Buttermakrele und Pflanzenmargarine untersucht. In 12,1 % der Proben ließ sich Benzo[a]pyren nachweisen und in über 35 % der Proben wurden Gehalte von PAK4 ermittelt. Am häufigsten kam dabei das zu PAK4 zählende Chrysen vor.

Aus den Ergebnissen der Trinkwasseruntersuchungen der Jahre 2008 und 2009 wurde deutlich, dass die Gehalte an PFT insgesamt niedriger waren als in den Jahren 2006 und 2007.

Im Rahmen des Lebensmittel-Monitorings werden bundesweit jährlich Hunderte Lebensmittelproben tierischer und pflanzlicher Herkunft auf den Gehalt bestimmter toxischer Elemente untersucht. Blei wurde dabei in etwa 7 % der Putenfleischproben nachgewiesen, bei Schokolade und Spinat betrug dieser Wert über 90 %. Überschreitungen der Höchstgehalte an Blei wurden bei einigen Gemüsearten sowie bei Reis festgestellt. Die Höchstgehalte an Cadmium wurden bei 13 Spinat-, 11 Knollensellerie- und zwei Putenfleischproben überschritten. Quecksilber wurde vor allem in Reis, Fisch und Krebstieren festgestellt, wobei sich bei Shrimps und Nordseekrabben eine abnehmende Tendenz zeigt.

Eine akute Gesundheitsgefahr für die Verbraucher aufgrund von Umweltkontaminanten ist nur in den seltensten Fällen gegeben. Generell ist die Beanstandungsquote von Lebensmitteln, bei denen Höchstgehalte an Umweltkontaminanten überschritten werden, gering. Das gilt auch für Frauenmilch. Die Belastung der Frauenmilch mit Organochlor-Pestiziden und nicht dioxinähnlichen polychlorierten Biphenylen sank in den letzten 20 Jahren um 80 bis 95 % ab. Derselbe Trend zeichnet sich für Dioxine und dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle ab. Konsequenterweise wird weiter empfohlen, Säuglinge bis zum Übergang auf die Löffelnahrung und darüber hinaus zu stillen.

Reaktionskontaminanten durch Erhitzung von Lebensmitteln

Das Erhitzen von Lebensmitteln kann zur Bildung zahlreicher Stoffe führen, die möglicherweise gesundheitsschädigend wirken. Dazu zählen heterozyklische aromatische Amine (HAA), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Acrylamid und Furan, die im Tierversuch kanzerogene Eigenschaften zeigten. Nicht ausgeschlossen werden kann derzeit, dass diese Substanzen auch beim Menschen potenziell krebsauslösend wirken, sodass Minimierungsmaßnahmen zur Bildung dieser Substanzen bei der Zubereitung von Lebensmitteln empfohlen werden.

Da HAA vor allem bei lange gebratenem Fleisch entstehen, sollte in der Pfanne, im Ofen oder auf dem Grill gebratenes Fleisch vor dem Verzehr von verkohlten Stellen befreit werden. Für das Vermeiden der PAK-Bildung werden vor allem beim Grillen Aluschalen empfohlen sowie ebenfalls das Entfernen verkohlter Stellen.

Bei Acrylamid gilt weiterhin das Motto „Vergolden statt Verkohlen“, sodass die Backofentemperatur 200 °C nicht übersteigen und auch Toastbrot nur leicht angeröstet werden sollte. Beim Frittieren beträgt die Höchsttemperatur 175 °C. Vor allem Kinder nehmen im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht leicht größere Mengen an Acrylamid auf. Daher sollten relativ hoch belastete Lebensmittel wie Pommes frites oder Kartoffelchips nur selten zu verzehren.

Die in Säuglingsnahrung gefundenen Mengen an Furan sind nach derzeitigem Kenntnisstand unbedenklich. Das Rühren des Babybreis im Gläschen kann bei geöffnetem Deckel im Wasserbad von 70 °C zum Entweichen von Furan führen.

Einen zentralen Aspekt der Lebensmittelsicherheit stellt der Übergang von Bestandteilen aus Kunststoffen wie etwa Verpackungen auf Lebensmittel dar. Auch Migrationsstoffe aus Kinderspielzeug, Geschirr oder Küchenutensilien können bedenklich sein. Mineralöle, wie sie in Kartons aus bedrucktem, recyceltem Material vorkommen, können im Körper gespeichert werden und zu Schäden an inneren Organen führen. Daher wird dringend empfohlen, mineralölfreie Druckfarben zu verwenden. Auch beim starken Erwärmen von Küchenutensilien aus Melaminharzen können gesundheitlich bedenkliche Mengen an Melamin und Formaldehyd freigesetzt werden, weshalb diese ausschließlich bei Temperaturen unterhalb von 70 °C verwendet werden sollten.

Bisphenol A, ein Ausgangsstoff für die Kunststoffsynthese, besitzt eine schwach hormonelle Wirkung und kann auch beim Menschen östrogenartig wirken. So dürfen seit März 2011 beispielsweise Babyfläschchen kein BPA mehr enthalten. Die Risikobewertung von Bisphenol A ist bisher jedoch nicht abgeschlossen.

Fazit

Lebensmittelinfektionen oder mikrobiell bedingte Lebensmittelvergiftungen sind oftmals auf Unwissenheit beim Umgang mit Lebensmitteln zurückzuführen. Vor allem unzureichende Kühlung und Erhitzung, unsachgemäßes Heißhalten von Lebensmitteln sowie mangelnde Küchen- und Händehygiene, aber auch der Verzehr roher, vom Tier stammender Lebensmittel werden als häufigste Ursachen identifiziert. Die Aufklärung des Verbrauchers über den richtigen Umgang mit Lebensmitteln ist daher eine entscheidende Präventionsmaßnahme. Wie der EHEC-Ausbruch 2011 zeigte, können auch roh verzehrte Pflanzen eine mögliche Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers darstellen. Vor allem sehr junge, ältere oder immungeschwächte Personen sind gegenüber Lebensmittelinfektionen besonders empfänglich und sollten daher auf den Verzehr bekannter Risikolebensmittel verzichten.

Die Situation bezüglich der Rückstände und Kontaminanten in Lebensmitteln hat sich weiter positiv entwickelt. Ein gesundheitliches Risiko des Verbrauchers durch Rückstände und Kontaminanten wurde in den vergangenen Jahren nur in wenigen Einzelfällen festgestellt. Im Bereich der Pflanzenschutzmittel kam es zu einigen Höchstgehaltsüberschreitungen, deshalb sollte aber nicht auf den ernährungsphysiologisch empfohlenen hohen Verzehr von Gemüse und Obst verzichtet werden.

ADI (Acceptable Daily Intake)

Menge eines Stoffs in mg/kg Körpergewicht, die täglich und lebens- lang ohne merkliches Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann.

UL (Tolerable Upper Intake Level)

Höchste chronische tägliche Gesamtzufuhr eines Nährstoffs, die nur unwahrscheinlich ein Risiko für schädigende Wirkungen auf die Gesundheit darstellt.

TDI (Tolerable Daily Intake)

Lebenslang tolerable tägliche Zufuhrmenge ohne Erwartung gesundheitlicher Schäden.

PTWI (Provisional Tolerable Weekly Intake) und PTMI (Provisional Tolerable Monthly Intake )

Bezeichnungen für die wöchentliche bzw. monatliche tolerable Zufuhrmenge. Diese werden vor allem bei Kontaminanten mit kumulativen Eigenschaften wie Cadmium verwendet.

ARfD (Acute Reference Dose)

Diese akute Referenzdosis ist diejenige Substanzmenge, die mit der Nahrung innerhalb eines Tages oder einer kürzeren Zeitspanne ohne merkliches Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann. Damit wird vor allem das akute potenzielle Risiko charakterisiert.

Rückstandshöchstgehalt bzw. MRL (Maximum Residue Limit/Maximum Residue Level)

Bezeichnung für diejenige Menge einer Substanz (z. B. von Tierarzneimitteln oder Pestiziden), die in einem Lebensmittel verbleiben darf, ohne dass die menschliche Gesundheit gefährdet ist.